Melissa Guadagno. Freie Texterin.
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Vernunft ist nicht mein zweiter Vorname

5/11/2020

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5. Mai.
Ich liege hosenlos auf dem Bauch und warte darauf, dass meine Hautärztin ihr Muttermalmesser ansetzt. Hinter Maske und schützendem Plastikvisier gibt sie mir Anweisung, meinen Kopf von ihr wegzudrehen – damit ich sie nicht anstecke, falls ich krank bin. Kurz überlege ich, ob ich sie darauf aufmerksam machen soll, dass in Richtung weg von ihr ihre Sprechstundenhilfe steht. Ohne schützendes Plastikvisier. Aber: Frau Doktor hält das Messer, also halte ich lieber meinen Mund. 
Sorgometer: Gleich piekst es kurz .... 
6. Mai. 
Sorgometer: Satt wird man von diesen Masken aber nicht. 
Bild
7. Mai.
Kurzbesuch auf dem Mühlenkamp. Zusammen mit gefühlt mindestens 80 % aller Hamburger. Es gibt Coffee to go, Cocktails to go und Covid to go. 
Sorgometer: Ob die Hautärztin mir auch so ein Visier besorgen kann?  


8. Mai. 
Freitagabend, schönstes Wetter und eine Verabredung, die eigentlich Anfang April hätte stattfinden sollen: beste Voraussetzungen, um mal so richtig ordentlich alles falsch zu machen. Wir setzen uns am Hafen (Fehler Nummer 1, weil total voll) mit einem Bier (Fehler Nummer 2, weil Abstand in Wohlgefallen auflösend) auf eine Bank (Fehler Nummer 3, weil unbequem), holen uns, als das Bier ausgetrunken ist, eine Flasche Wein (Fehler Nummer 4, weil siehe oben) und finden Corona blöd. 
Sorgometer: Vernünftig geht anders. Aber Frühling geht ganz genau so.


9. Mai. 
Ich bin beim wöchentlichen Distanz-Date auf dem sehr, sehr sonnigen Balkon einer sehr, sehr guten Freundin. Wir trinken sehr, sehr gerne Wein und tun darum genau das. 
Sorgometer: sehr, sehr niedrig gerade. 


9. Mai, etwas später. 

Mir ist schlecht. Von Bier und Wein am Abend und Vorabend – in erster Linie aber von Oliver Pocher, der ein Show-Surrogat namens 5 gegen Jauch "moderiert". Das Prinzip scheint darin zu bestehen, dass Günther Jauch Fragen beantwortet, woraufhin Kai Ebel, Ingolf Lück und drei weitere, mir nicht näher bekannte, RTL-Recyclingflaschen sich die richtige Antwort effektreich demonstrieren lassen. Zum Beispiel von einem Fitness-Coach, der Tiere nachahmt. Oder so ähnlich. Da steigt die publikumsfreie Stimmung, da hüpfen alle mit, da schreit Herr Pocher irgendwas mit "Abstand halten!". Die Anwesenden quieken, ich gehe kotzen und dann schlafen. 
Sorgometer: Wie war das gleich mit Covid-19 und dem Geschmack? 


10. Mai. 
Schon wieder Unvernunft. Wir besuchen die Eltern vom Mann. Nur im Garten, mit ganz viel Abstand und nicht besonders lange – aber: Wir besuchen sie. Und fahren mit der Erkenntnis nach Hause, dass keine Risikogruppe sich als solche sieht. Die beiden sind weit über 60, sprechen aber von "den Alten", die man schützen sollte. 
Sorgometer: Ja, wir haben genug Abstand gehalten. Ja, wir haben genug Abstand gehalten. Ja, wir haben genug Abstand gehalten. (...)


11. Mai. 
Meine Rumhüpf-App belästigt mich mit motivierenden Nachrichten. Ich gebe ihr nach und hüpfe rum. 
Sorgometer: Warum sehe ich eigentlich nach acht Wochen nicht aus wie die Rumhüpf-Vorhüpfer – sondern immer noch wie ich? 

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